Yvonne Wagner

Kinder können smarter sein als ihr Phone

DigiKids ist ein Medienkompetenz-Projekt für Kinder ab dem Kindergartenalter. Das Modellvorhaben wird in den kommenden vier Jahren in der Pilotregion Hessen laufen, hinter dem Projekt stehen die TK und die Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS) e. V.. In unserem Kurz-Interview erklärt Thomas Holm, bei der TK Leiter der Gesundheitsförderung in Lebenswelten, was es damit auf sich hat.

Thomas Holm ist Experte für Gesundheitsförderung in Lebenswelten.

Herr Holm, die Blikk-Studie der Drogenbeauftragten des Bundes hat doch gerade gezeigt, dass es für Kinder schädlich ist, wenn sie zu früh mit Medien in Kontakt kommen. Wie passt das mit dieser Projektförderung zusammen?

Für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder muss die Offline-Welt an erster Stelle stehen. Medienkonsum sollte im Vorschulalter, wenn überhaupt, nur in Begleitung stattfinden. Das ist bei dem Projekt DigiKids absolut der Fall. Es bezieht Eltern und Pädagogen ein und bietet speziell angeleitete Workshops, in denen die virtuelle und die analoge Welt immer miteinander gekoppelt werden. Ziel des Angebotes ist die Verbindung der Kinder zum ‚echten‘ Leben zu erhalten, zu stärken und weiterzuentwickeln. DigiKids ist für Kinder von 4 bis 14 Jahren gedacht. Viele Kinder sind schon im Vorschulalter mit modernen Medien konfrontiert, die Lebensrealität zeigt also, dass Kinder bereits früh anfangen, digitale Medien zu nutzen. Über den richtigen Zeitpunkt, an dem Medienerziehung ansetzen sollte, gibt es kontroverse Positionen und auch wir haben diese bei uns diskutiert. Wir möchten mit dem Projekt ansetzen, bevor der Medienkonsum einen festen, gewohnten Platz im Alltag der Kinder hat. Es ist eine Chance, die Neuen Medien zu „entzaubern“, sie als Werkzeug für die eigene Kreativität einzusetzen statt passiv zu konsumieren. Je besser Kinder vorbereitet werden, desto geringer ist die Gefahr, dass sie im Internet schlechte Erfahrungen machen, gemobbt oder abgezockt werden. Was wir Medienkompetenz nennen, hat viel mit allgemeiner Lebenskompetenz zu tun.

Wenn Sie Medienkompetenz als Lebenskompetenz bezeichnen, also als etwas ganz Essentielles, was bedeutet das dann politisch für das Thema Prävention?

Wir setzen uns politisch dafür ein, dass Medienkompetenz ein eigenständiges Handlungsfeld in der Prävention wird. Wichtig ist, digitale Medien nicht grundsätzlich zu verbieten. Wenn Präventionsfachleute darüber sprechen, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu fördern, geht es in der Regel um Ernährung, Bewegung, Stress und Sucht. Das sind die Handlungsfelder, die gesetzlich festgelegt sind und die Faktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen. Wir engagieren uns seit vielen Jahren in diesen Themenfeldern. Seit einigen Jahren beobachten wir, dass es einen neuen Faktor gibt, der auf Gesundheit wirkt – digitale Medien wie Smartphone, Tablet und PC. Deren Anziehungskraft auf Kinder und Erwachsene, wirft die Frage auf, wie sie sich auf unsere mentale und physische Gesundheit auswirkt. Wieviel und welcher Konsum ist gesund? Es geht also nicht mehr darum, ob wir digitale Medien nutzen. Wir leben, lernen und arbeiten längst in einer digitalen Gesellschaft, organisieren unser Leben digital, nutzen Navigation und trainieren mit digitalen Trainingsbegleitern. Es geht um einen gesunden Konsum, eine digitale Balance. Dazu gehört nicht nur, die Geräte technisch richtig zu bedienen, sondern auch darum, Inhalte richtig einordnen zu können, Online- und Offline-Welt sinnvoll zu verknüpfen und für ausreichenden Ausgleich für Körper und Geist in der offline-Welt zu sorgen. Wir wissen, dass Prävention am besten greift, wenn sie direkt in den Lebenswelten der Betroffenen ansetzt, deshalb gehen wir mit DigiKids in die Kitas und Schulen. Wie immer in der Prävention beziehen wir die Eltern und Pädagogen ein, denn auch sie brauchen mehr Medienkompetenz und Orientierung in der Medienerziehung.

Wir müssen auch unangenehme Entscheidungen treffen, für die wir von unseren Kindern nicht gefeiert werden und kein Like bekommen. Erziehung ist keine Freundschaftsanfrage.


Wie reagieren die Eltern auf TK-Angebote, die die Medienkompetenz trainieren sollen?

Viele Eltern wünschen sich von uns beim Thema Medienkompetenz eine Unterstützung, so wie sie es auch bei anderen Gesundheitsthemen von uns gewohnt sind. Unser Angebot ist dabei ein Baustein, der den Folgen von zu hohem Medienkonsum entgegenwirkt. Eltern müssen auch beim eigenen Medienkonsum verantwortungsbewusster handeln. Laut der aktuellen TK-Stress-Studie gibt fast jeder vierte Erwachsene an, zu viel Zeit im Netz zu verbringen. Wer selbst beim Essen, während eines Gesprächs oder bei gemeinsamen Unternehmungen auf sein Handy schaut, darf sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs das Beobachtete nachmacht. Wir müssen also auch unangenehme Entscheidungen treffen, für die wir von unseren Kindern nicht gefeiert werden und kein „Like“ bekommen. Erziehung ist keine Freundschaftsanfrage, wir sind nicht nur ihre Erziehungsberechtigten, sondern ihre Erziehungsverpflichteten. Zu dieser Verpflichtung gehört, dass sich Eltern mit dem Netzleben ihrer Kinder auseinandersetzen. Fürsorge darf nicht vor dem Log-in enden. DigiKids setzt übrigens auch hier an, denn ein Teil von DigiKids ist der Austausch im gemeinsamen Workshop mit Eltern und Kindern. So wie wir unsere Kindern auch für das richtige Leben verkehrssicher machen und sagen, wann sie zu Hause sein sollen, brauchen sie auch für die digitale Datenautobahn Verkehrsregeln. Je besser Kinder vorbereitet werden, desto geringer ist die Gefahr, dass sie im Internet schlechte Erfahrungen machen, gemobbt oder abgezockt werden.



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