Auf ihrer Sitzung am 14. Juli in Königswinter stellten die Ehrenamtlichen ein Positionspapier vor. Sie fordern von der Politik, die Zukunft des Gesundheitssystems ganz oben auf die Agenda zu setzen. Die alternierenden Vorsitzenden Dieter F. Märtens (Versichertenvertreter) und Dominik Kruchen (Arbeitgebervertreter) erläutern im Interview, worauf es ihnen in der kommenden Legislaturperiode ankommt.
Herr Märtens, Herr Kruchen, Sie sind ehrenamtliche Mitglieder des Verwaltungsrats der TK: Warum bezieht dieses Gremium jetzt politisch Position?
Dominik Kruchen: Wir beziehen nicht erst jetzt Position, sondern betrachten dies als Teil unserer Aufgabe als Selbstverwalter. Wir haben den Auftrag, für die bestmögliche Gesundheitsversorgung der TK-Versicherten und einen wirtschaftlichen Einsatz der Beitragsgelder zu sorgen – sowohl der Arbeitgeber als auch der Mitglieder. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Das Gesundheitssystem muss auf zukünftige Herausforderungen wie den demografischen Wandel, aber auch höhere Kosten durch medizinischen Fortschritt vorbereitet sein. Genau das fordern wir in unserem Positionspapier.
Sie fordern auch mehr Handlungsautonomie für die Selbstverwaltung – ist das nicht reiner Selbstzweck?
Dieter F. Märtens: Die gesetzliche Krankenversicherung versichert über 90 Prozent der Menschen in Deutschland. Eine aktuelle Studie der TK zeigt, dass 84 Prozent von ihnen mit dem Gesundheitssystem zufrieden sind. Dass dieses System so gut funktioniert, liegt auch daran, dass es selbstverwaltet, also staatsfern organisiert ist.
Der Blick zu einigen unserer europäischen Nachbarn zeigt, wie anfällig staatliche Gesundheitssysteme sind, wenn die Konjunktur schwächelt und das zentrale Thema Gesundheit mit anderen Bereichen um staatliche Budgets konkurriert.
Es ist also im Sinne der Versicherten und keineswegs Selbstzweck, wenn wir fordern, dass die Handlungsautonomie der Selbstverwaltung nicht weiter eingeschränkt, sondern gestärkt wird. Dazu gehört beispielsweise auch eine Reform der Sozialwahlen, des demokratischen Rückgrats der Selbstverwaltung.
Aktuell ist die Konjunktur gut, die Kassen der Sozialversicherungen entsprechend gefüllt. Dennoch fordern Sie Reformen bei der Finanzierung der GKV. Warum?
Kruchen: Dass es der Wirtschaft derzeit gut geht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch bei der Finanzierung der GKV erheblichen Handlungsbedarf gibt: Schon heute steigen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen, auch aufgrund politischer Entscheidungen, stärker als sie müssten. Solche politisch motivierten Ausgabensteigerungen müssen aufhören. Für ein zukunftssicheres Solidarsystem mit fairem Wettbewerb zählt zudem nicht nur, wie viel Geld da ist, sondern auch wie es verteilt wird.
Aber genau dieses Verteilungsinstrument, der sogenannte Morbi-RSA, ist zum Problem geworden und bedarf dringend einer Reform. Der heutige Morbi-RSA verursacht erhebliche Wettbewerbsverzerrungen. Wir fordern deshalb, dass die Auswahl der zuweisungsrelevanten Erkrankungen verändert wird. Hier sollten seltene und teure Erkrankungen stärker als heute berücksichtigt werden. Auch ein Hochrisikopool für besonders kostenintensive Erkrankungen ist notwendig.
Wettbewerb gibt es auch zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie hier?
Märtens: Die PKV steht heute vor großen Herausforderungen. Ihre Versicherten werden älter, weniger junge Versicherte kommen nach, und das niedrige Zinsniveau schmälert die Rücklagen. Dadurch steigen die Prämien, was besonders ältere Jahrgänge treffen wird. Wenn sich Privatversicherte ihren Gesundheitsschutz nicht mehr leisten können, sind sie auf soziale Hilfen angewiesen.
Der Solidargemeinschaft dürfen durch die Probleme der PKV nicht noch weitere Lasten aufgebürdet werden. Schon heute stemmt die GKV viele gesamtgesellschaftliche Aufgaben, etwa in der Prävention, im Mutterschutz oder bei der kostenlosen Versicherung von Kindern. Privatversicherte profitieren außerdem von der GKV, etwa von Preisverhandlungen mit Arzneimittelherstellern. In diesem Wettbewerb herrschen also unterschiedliche Bedingungen. Hier ist die Politik gefragt, dass diese sich nicht weiter zuungunsten des Solidarsystems verschieben.