Die Menschen in Deutschland wollen von ihren Ärzten umfassend aufgeklärt und beraten werden. Sie wollen selbstbestimmt in Sachen Gesundheit entscheiden. Das zeigt uns eine von der TK beauftragte Forsa-Studie, der Meinungspuls: Demnach erwarten 98 Prozent der Befragten von Ärzten, sie über alle Vor- und Nachteile von Behandlungsmethoden zu informieren. Dabei scheuen sie sich auch nicht davor, selbst Stellung zu beziehen. 97 Prozent der Befragten sagen es ihrem Arzt, wenn sie den Eindruck haben, eine Behandlung sei nicht die richtige für sie.
Patienten wollen stärker einbezogen werden
Wie groß der Wunsch nach eigener medizinischer Entscheidungskompetenz ist, zeigt auch, dass 84 Prozent der Befragten sich noch anderweitig informieren, bevor sie sich für eine Behandlungsmethode entscheiden. Gerade durch das Internet und die neuen Medien sind die Patienten heutzutage gut vernetzt und haben Zugang zu Laien- und Expertenwissen, welches sie mit ihrem persönlichen Befinden vergleichen. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung reagiert und die Informations- und Patientenrechte in den vergangenen Jahren wiederholt gestärkt. In der Folge erwarten viele Patienten – zu Recht – detaillierte Informationen von ihrem Arzt und wollen in die Therapieentscheidung eingebunden werden. Fachleute bestätigen, dass sich diese positiv auf die Therapietreue, den Behandlungserfolg und die Zufriedenheit des Patienten auswirkt.
Keine Zeit zum Reden
Tatsächlich angemessen aufgeklärt und beraten fühlten sich bei ihrer letzten ernsteren Erkrankung drei Viertel der Befragten – jeder Fünfte kam jedoch unzufrieden aus dem Gespräch mit dem behandelnden Arzt. Viele Patienten verstehen ihren Arzt schlichtweg nicht, zum Teil liegt das am „Fachchinesisch“, zum Teil mangelt es im Sprechzimmer an ausreichend Zeit, um Sachverhalte zu erklären.
Kompliziert wird die Entscheidungsfindung zudem durch das wachsende Spektrum an Präventions-, Therapie- und Rehabilitations-Möglichkeiten. Die Ärzte werden in diesem System zunehmend zu Koordinatoren. Anstatt selbst auszuführen, steuern sie den Patienten durch diese weite Versorgungslandschaft. Um gemeinsam eine präzise und zielgenaue Behandlung zu finden, müssen sich Arzt und Patient gegenseitig verständlich machen und verstehen können.
Eine Hilfestellung auf diesem Weg bieten Informations- und Beratungsangebote wie die TK-Reihe „Kompetent als Patient“. Interessierte lernen darin unter anderem, wie sie sich auf ein Arztgespräch vorbereiten und während des Gesprächs die richtigen Fragen stellen. Zudem geht es darum, wie ein vertrauensvoller Umgang mit dem Arzt möglich wird und wie eventuelle Konflikte gelöst werden können. Aber auch die Ärzte müssen noch stärker für das Thema Sprechende Medizin sensibilisiert werden.
Praxisalltag muss stärker auf sprechende Medizin ausgerichtet werden
In der Realität findet eine gemeinsame Entscheidungsfindung bisher leider nur selten statt. Ein Grund ist der Zeitdruck, unter dem viele Ärzte stehen. Um ihren Patienten wieder mit offenen Ohren entgegentreten zu können, müssen sie in ihren sonstigen Aufgaben entlastet werden, vor allem von der zeitaufwendigen bürokratischen Arbeit, die sie derzeit leisten.
Immerhin befasst sich die Ärzteschaft mittlerweile intensiv mit der Neudefinition ihres Berufsbilds und den damit verbundenen Aufgaben. Grundlegend ist dabei, dass mehr Aufgaben und Verantwortung als sogenannte „arztentlastende Leistung“ auf das Praxispersonal verlagert werden, so wie es von den Partnern des Bundesmantelvertrags festgelegt wurde. Eine bessere Aufgabenteilung macht den Arbeitsalltag nicht nur effizienter, sondern steigert auch die Qualität der Behandlung. Vor allem für strukturschwache Regionen auf dem Land, wo wenige Ärzte viele Patienten versorgen müssen, ergibt sich daraus eine Chance, die ärztliche Leistungserbringung wieder auf ihre Kerntätigkeit zu fokussieren: auf Patientengespräche und Therapiemaßnahmen.
Arztgespräch mit Patienten besser honorieren
Damit diese Aufgabenverteilung zwischen den Berufsgruppen funktioniert und sich die Ärzte die Zeit für längere Gespräche auch leisten können, müssten sie entsprechend vergütet werden. Das ginge zum Beispiel in Form regionaler Zuschläge je Behandlungsfall, wie es heute schon für die telemedizinische Leistungserbringung möglich ist (§ 87a SGB V). Zudem müssen Mediziner durch nichtärztliches Personal entlastet und die Chancen der Digitalisierung auch genutzt werden dürfen.
Wir müssen endlich davon wegkommen, vor allem die Apparate zu bezahlen, und verstärkt das Gespräch honorieren. Eine Kasse allein kann jedoch kaum darüber entscheiden, wie einzelne medizinische Leistungen im System der gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden. Diese Aufgabe obliegt dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), einem Gremium von Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen, Krankenhäuser, Ärzte und Zahnärzte. Er entscheidet darüber, was Krankenkassen bezahlen.
Um hier die sprechende Medizin zu stärken, gilt es, sie wortwörtlich noch stärker ins Gespräch zu bringen. Von der Arzt-Patienten-Kommunikation bis in die gesundheitspolitischen Diskussionen der Bundesregierung. Nur so gelingt es uns, die Versorgung patientenorientiert zu gestalten.