Prof. Dr. Volker Möws

Gesundheit vs. Sondierungspapier: Nur die Spitze des Eisbergs

Die SPD hat bei ihrem Sonderparteitag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit der Union gegeben. Diese müssen die Koalitionäre nutzen, um endlich die gesundheitspolitische Zwangspause zu beenden.

Gesundheitsthemen sind schon allein deshalb hochrelevant, weil die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung über 72 Millionen Menschen versorgt. Die aktuell konjunkturbedingt stabile Finanzsituation der GKV bedeutet nicht, dass die nächste Bundesregierung sich auf diesem Feld entspannt zurücklehnen kann. Ganz im Gegenteil: Die im Sondierungspapier festgehaltenen Pläne für ein Sofortprogramm Pflege und die Ansätze in Richtung sektorübergreifende Versorgung sind nur die Spitze des Eisbergs notwendiger Reformen.

Roadmap in die digitale Jetztzeit

Zentrale Fragen für die Zukunftssicherheit unseres Gesundheitssystems bleiben bislang unbeantwortet. Wie lässt sich beispielsweise die Schieflage im Wettbewerb  der GKV begradigen? Was vor allem fehlt: eine Roadmap für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Es liegt nun an den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege, diese Lücken im Rahmen der Koalitionsgespräche zu schließen.

Vor dem Hintergrund, dass „Digitales“ derzeit in aller Munde ist, erstaunt es doch, dass konkrete Aussagen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens im Sondierungspapier komplett fehlen. Dabei wäre gerade dort die Politik gefragt, um Hindernisse zu beseitigen, hohe Datenschutzstandards zu etablieren und einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Insellösungen kultiviert werden, die den Wettbewerb und die Innovation behindern.

Die Zeit drängt. Schon heute gehört das deutsche Gesundheitssystem nicht gerade zu den digitalen ‚early adopters‘. Ein unumgänglicher Schritt – nicht in die digitale Zukunft, sondern in die digitale Jetztzeit – ist das verpflichtende Angebot einer elektronischen Gesundheitsakte (eGA) für alle Kassen. Diese ermöglicht Versicherten, die eigenen Gesundheitsdaten digital zu verwalten – unter der Prämisse: Der Versicherte ist Herr seiner Daten. Die eGA wäre ein Meilenstein in Sachen sicherer und versichertenbestimmter Datenaustausch im Gesundheitswesen, der die gängige „Zettelwirtschaft“ endlich ablöst.

Längst überfällig ist auch eine Liberalisierung des Fernbehandlungsverbots: Telemedizin kann helfen, Defizite bei Über- und Unterversorgung auszugleichen – etwa wenn in strukturschwachen Regionen Fachärzte fehlen oder von Versicherten nur nach langer Anfahrt erreichbar sind.

Auch im Bereich Pflege kann die Digitalisierung Antwort auf künftige Herausforderungen sein – wenn die Politik jetzt die Weichen stellt. Wie beispielsweise Smart-Home-Lösungen dazu beitragen könnten, Pflegebedürftigen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, hat die TK bereits aufgezeigt.

Angesichts dieser Aufgaben blicken wir als TK gespannt auf den weiteren Weg zu einer Koalition.



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Kerstin Grießmeier Kerstin Grießmeier

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