Ich kann mich noch genau erinnern: Es geschah direkt an der großen Kreuzung vor der Unternehmenszentrale der TK. Ich war gerade auf dem Weg zur Arbeit, stand bei Rot an der Fußgängerampel. Plötzlich hörte ich einen gellenden Schrei. Vor mir, direkt auf der Kreuzung, hatte ein LKW eine Fußgängerin erfasst und schleifte sie unter den Vorderrädern mit. Ein Alptraum!
Zum Glück stoppte der LKW – die Frau eingeklemmt unter den Rädern. Wie in Trance wählte ich die 112. Sofort eilten andere Zeugen zur Unfallstelle, sprachen mit der Frau, beruhigten sie, wärmten sie mit einer Decke. Es dauerte gefühlte Stunden, bis der Rettungswagen und die Polizei endlich eintrafen. Mit schwerem Gerät wurde die Frau befreit, sie überlebte. Eine Horror-Situation. Doch sie kann jeden treffen.
Notruf 112 wählen gilt schon als Hilfe
Dabei müssen es gar nicht die schweren Verkehrsunfälle sein. Unglücke geschehen jeden Tag, an jedem Ort, zu jeder Zeit. Und als Ersthelfer kann man Leben retten – wenn man dann den Mut hat, hinzuschauen und etwas zu tun.
Beispiel Herzinfarkt: Laut aktueller Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) starten im Notfall in Deutschland nur rund 40 Prozent der Ersthelfer mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Wenn aber nach einem Herzstillstand nicht innerhalb von fünf Minuten eine Herzdruckmassage durchgeführt wird, ist ein Überleben unwahrscheinlich.
Doch auch in anderen Situationen ist schnelle Hilfe entscheidend. Wenn der ältere Herr in der Fußgängerzone hinfällt, wenn ein Asthmapatient einen Anfall hat, wenn ein Epileptiker in der Öffentlichkeit krampft.
In Dänemark reanimieren Laien viel öfter
Viele Menschen sind im Notfall überfordert oder wollen nichts falsch machen – eine nachvollziehbare Reaktion. Dabei kann man nichts falsch machen – Hauptsache man kümmert sich. Schon das Absetzen des Notrufs 112 gilt als Hilfe. Und wer bis zum Eintreffen des Notarztes seelischen Beistand leistet, einfach da ist, den Verletzten beruhigt, leistet einen wichtigen Beitrag.
Doch dazu muss Kümmern zur Gewohnheit werden, durch regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse. Am besten alle zwei Jahre. Dass das wunderbar funktioniert, zeigen unsere nördlichen Nachbarn in Skandinavien. Bereits in der Grundschule sind Kurse für die Schüler Pflicht. Und es wird regelmäßig aufgefrischt – an weiterführenden Schulen, an Unis, in Betrieben.
Diese Routine in Notfallsituationen spiegelt sich auch in den Zahlen wieder. Laut DGAI liegt die sogenannte Laienreanimationsrate in Dänemark etwa bei gut 70 Prozent. Pro Jahr könnten auch bei uns 10.000 Menschen einen Herzstillstand überleben – wenn sofort reanimiert würde.