Herr Prof. Gramminger, wie bringen Sie Künstliche Intelligenz (KI) in den hessischen Krankenhausalltag?
Bevor wir über Künstliche Intelligenz sprechen, müssen wir uns zuerst fragen, wie wir den Kliniken insgesamt bei der Digitalisierung helfen können. Etwa wie einzelne Häuser ihre Infrastruktur auf- und ausbauen oder die elektronische Patientenakte einbinden. Wir brauchen dringend Systeme, die innerhalb des Gesundheitswesens kompatibel sind. Hier sehe ich unseren Verband genauso in der Pflicht wie die Sozialleistungsträger, die Kassenärztliche Vereinigung oder die Ärztekammer. Wir müssen die verschiedenen Interessen an einen Tisch bekommen.
Ist es also noch zu früh, über KI an Kliniken zu sprechen?
Nein, ganz und gar nicht. KI ist ein Teil der Digitalisierung. Kliniken können KI-Prozesse parallel einbinden, besonders in der Diagnostik. Wenn die KI in ein gutes Gesamtsystem eingebettet ist, kommt der Arzt nicht nur schneller zur korrekten Diagnose, sondern wird auch seine eigene Kompetenz stetig erweitern. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird es sein, dass die Mediziner die vielen neuen Informationen verarbeiten müssen.
Können Kliniken ihren Umsatz steigern, wenn sie KI einsetzen?
KI kann sicherlich dazu führen, dass Kliniken finanziell profitieren. Sie kann sehr große Mengen von Daten erfassen und abgleichen und diese äußerst effizient auswerten. Das verbessert die Patientensicherheit, das Qualitäts- und das Risikomanagement. Durch die gewonnene Zeit rückt der Patient weiter in den Vordergrund. Eingesparte Gelder sollten dann aber wieder ins Gesundheitswesen zurückfließen, in das Personal oder in die Infrastruktur.
Müssen Sie in den Kliniken viel Überzeugungsarbeit leisten?
Es gibt schon viele Ängste. Wer etwa als Arzt oder in der Krankenpflege arbeitet, möchte mit Menschen kommunizieren, Patienten behandeln und Leid lindern. Und plötzlich kommt so ein Computer und sagt einem, was man tun soll. Trotzdem sollten wir uns diese Systeme zu Nutze zu machen, ohne uns dagegen zu wehren oder – andersherum – abhängig davon zu werden. Das kann gelingen, wenn wir die KI wie ein Lehrbuch einsetzen. Früher hat der Arzt nachgelesen, wie ein Tumor aussieht und beschaffen ist. Heute kann die KI den Tumor erkennen. Sie sollte dem Arzt aber mitteilen, wie das Ergebnis zustande gekommen ist und welche Faktoren in die Diagnose einbezogen wurden. Daraus können die Ärzte wiederum lernen. Wenn der Prozess transparent ist, fällt es leichter, das KI-System als Unterstützung zu akzeptieren.
Prof. Steffen Gramminger ist Geschäftsführer der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG) e.V. und zuständig für die Schwerpunkte Medizin, Qualität und Finanzierung. Seit 2000 ist der Mediziner in verschiedenen Positionen im Medizinmanagement tätig, zuvor arbeitete Gramminger mehrere Jahre als Arzt in unterschiedlichen Krankenhäusern.
Am 28. August 2019 diskutieren wir mit Prof. Gramminger und weiteren Experten aus Medizin, Informatik und Versorgungsmanagement, wie KI das Gesundheitswesen umgestalten wird und wie wir alle von diesem Fortschritt profitieren können. Weitere Infos finden Sie hier:
eHealth-Kongress Rhein-Main und Hessen