Kinder haben ein Recht „auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ – so heißt es in Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention. Dazu gehört, dass Krankheiten möglichst früh erkannt, behandelt und vor allem vorgebeugt werden – von Geburt an.
Frühgeburt lässt Alarmglocken läuten – Kaiserschnitt bisher nicht
Der Kinderarzt Dr. Sebastian Schupfner hat vor seiner Zeit bei der TK selbst lange auf einer Frühchen-Station und in der Frühförderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern gearbeitet. Er kennt die Schwierigkeiten bei der Diagnose nur zu gut.
Steht im gelben Kinder-Untersuchungsheft eine Geburt vor der 38. Schwangerschaftswoche, achtet man als behandelnder Kinderarzt ganz besonders auf die Symptome seines kleinen Patienten, so Schupfner. Sehstörungen etwa oder Komplikationen des Atmungssystems lassen sich häufig auf die Unreife des zu früh geborenen Kindes zurückführen. Allerdings lohnt es sich, nicht nur darauf zu achten, wann ein Kind zur Welt gekommen ist, sondern auch wie – per Kaiserschnitt oder auf natürlichem Wege.
Kindergesundheitsreport geht Krankheiten auf den Grund
Der Kindergesundheitsreport zeigt deutlich: Kaiserschnitt-Kinder leiden in den ersten acht Lebensjahren häufiger unter Atemwegserkrankungen. Auch Entwicklungs- und Verhaltensstörungen wie ADHS treten vermehrt auf, ebenso Adipositas.
Herausgefunden haben das die Datenspezialisten der TK beim Auswerten von Abrechnungsdaten. Dazu brauchten sie aber erst einmal die offizielle Genehmigung des Bundesversicherungsamtes, die erhobenen Daten unter strengen Datenschutz-Vorgaben und über normalerweise vorgegebene Aufbewahrungsfristen hinaus untersuchen zu dürfen.
„Wir wollen auf unserem Datenschatz nicht nur sitzen, sondern ihn heben und der Allgemeinheit zugänglich machen“, betont Schupfner. Herausgekommen ist die erste deutsche Langzeitstudie mit – natürlich anonymisierten – Abrechnungsdaten, die den Einfluss von Kaiserschnitt und Frühgeburt auf die Gesundheit von Kindern darstellt.
Höheres Erkrankungsrisiko nach Kaiserschnitt und Frühgeburt
Ganz konkret wurden die Daten von 38.800 TK-versicherten Kindern vom Geburtsjahr 2008 bis 2016 betrachtet. Bei 19 Krankheitsgruppen, die Kinder häufig betreffen, zeigte sich ein höheres Erkrankungsrisiko nach einer Kaiserschnittgeburt. Frühgeborene hatten sogar bei 22 Krankheitsgruppen ein höheres Erkrankungsrisiko – verglichen mit Kindern, die zum regulären Termin entbunden wurden.
Oft bedingen sich Kaiserschnitt und Frühgeburt gegenseitig. Muss ein Kind weit vor dem Geburtstermin auf die Welt geholt werden, weil es ihm oder der Mutter nicht gut geht, klappt das oft nur mit einem Kaiserschnitt. Wie aber lässt sich in diesem Fall herausfinden, ob das Risiko für eine Erkrankung durch das eine oder andere erhöht ist?
Hierfür haben die TK-Experten Störfaktoren definiert, die sie aus den Ergebnissen der Analyse herausgerechnet haben. Wenn ein Kind beispielsweise Diabetes hat, die Mutter aber auch, ist dieser eher genetisch bedingt als durch den Kaiserschnitt.
Neue Ansätze für Kinder- und Schwangerenvorsorge
Schupfner hatte gehofft, dass nach dem Herausrechnen der Störfaktoren nicht viele Krankheiten übrig bleiben würden, die man auf eine Kaiserschnitt- oder Frühgeburt zurückführen könnte. Das Ergebnis hat ihn persönlich erschreckt, so der Mediziner. Mit den vorliegenden Erkenntnissen sollten Ärzte und Patientinnen erst recht darüber nachdenken, ob ein Kaiserschnitt medizinisch begründet ist.
Kaiserschnitte können Leben retten – die Risiken müssen aber sorgfältig abgewogen werden, gerade, wenn ein Eingriff nicht zwingend notwendig ist.
Dr. Sebastian Schupfner
Wie schon seine Vorgänger-Studie soll auch der Kindergesundheitsreport vor allem die Studienlage ergänzen und Probleme in der Versorgung aufzeigen. Wie sich die Vorsorge und Behandlung von Schwangeren, Frühgeborenen und Kaiserschnitt-Kindern konkret verbessern lässt, müssen weitere Projekte beantworten, so Schupfner.
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