Luise Zink

Münteferings Rezept für gutes Altern

Beim Sommerfest des Hamburger NetzWerks GesundAktiv trat der 79-jährige Ex-SPD-Chef Franz Müntefering als Advokat der Senioren auf. Welche Baustellen die Gesellschaft angehen muss und was sich hinter seinem Credo „L-L-L“ verbirgt, erzählt er im Interview.

Die Messehalle in Hamburg-Schnelsen ist für einen Freitagnachmittag prall gefüllt: Knapp 900 Teilnehmer des Hamburger Leuchtturmprojekts NetzWerk GesundAktiv (NWGA) sind neugierig, was das Sommerfest in diesem Jahr zu bieten hat. Schließlich gibt es unter anderem prominenten Besuch vom ehemaligen Vizekanzler, Franz Müntefering. Seit 2015 ist er Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) und setzt sich in seiner neuen Funktion für ein gesundes und kompetentes Altern ein. Wir haben im Vorfeld mit ihm gesprochen.

2018 wurden Sie mit großer Mehrheit als Vorsitzender der BAGSO wiedergewählt. Was motiviert Sie, sich in diesem Bereich zu engagieren?

Gesellschaftspolitisch gibt es viel zu tun. Und ich bringe einige berufliche Erfahrungen mit. Der Wandel ist groß: Die Altersstrukturen. Die Bildungschancen. Die Mobilität. Die Veränderungen in den Arbeitswelten. Hochleistungsmedizin. Mehr Bedarf an Pflege, Hospiz- und Palliativdiensten. Die Integration zahlreicher Zuwanderer. Es ist wichtig, diesen Wandel zu gestalten. Die BAGSO blickt dabei besonders auf die Chancen und Herausforderungen, die sich mit der deutlich wachsenden Zahl älterer Menschen verbinden.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist der demografische Wandel. Wo gibt es Ihrer Meinung nach in Deutschland die größten Baustellen?

Die sind im Wesentlichen mit der ersten Antwort schon angesprochen. Wir haben dabei die Gesamtgesellschaft im Blick. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, in der nicht Generationen gegen Generationen stehen. Und wir wollen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen. Zu tun gibt es viel. Gelingen kann das alles nur, wenn der Staat und die Gesellschaft und viele Einzelne aktiv und zielführend dabei mitwirken. Man darf die vielen Probleme, die es gibt, nicht übersehen. Aber wir dürfen zuversichtlich sein, denn viele machen engagiert mit.

Man macht sein eigenes Tempo, ja und? Man kennt dafür auch die Abkürzungen.

Franz Müntefering

Wie sehen Sie das – muss man vor dem Älterwerden Angst haben oder hat es auch Vorteile?

Leben ist immer lebensgefährlich. Im Leben kann jederzeit irgendetwas passieren, das beängstigend ist oder sogar furchtbar. Mit dem Älterwerden ändern sich die Lebensbedingungen. Wir sind nicht mehr so schnell, nicht so stark, nicht so ausdauernd. Man macht sein eigenes Tempo, ja und? Und man kennt die Abkürzungen. Der Vorteil: Man lebt. Und diese Chance kommt nicht wieder.

NWGA-Teilnehmer erhalten unter anderem das technische Unterstützungssystem „PAUL“. Damit können sie sich im Quartier vernetzen, bei Bedarf kann auch eine intelligente Sturz-Erkennung installiert werden. Ist die Digitalisierung in der Pflege eine Hilfe, um älteren Menschen ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen?

Gute Technik kann selbstverständlich eine wichtige Hilfe für Menschen sein. Es ist klug, sie zu nutzen. Und das ist ja nicht neu. Das Feuer und das Rad, die Buchdruckkunst und das Telefon, der Motor und der Computer sind Beispiele dafür. Auch Hörgeräte, Brillen und Zahnersatz. Die Digitalisierung in ihrer ganzen Breiten- und Tiefenwirkung ist ein neuer Schritt, den wir erleben. Wir müssen sie nutzen und menschendienlich machen und dürfen uns nicht von ihr beherrschen lassen. Sicherheit in der eigenen Wohnung ist ganz wichtig. Sichere und ständige soziale Kontakte zu haben auch. Alleinsein kann zeitweise ganz nett sein, aber einsam auf sich zurückgeworfen zu sein, das ist nicht gut.

Ihr Vortrag beim NWGA-Sommerfest steht unter dem Motto „Souverän älter werden“. Kurz und knackig: Was raten Sie Seniorinnen und Senioren, um im Alter möglichst gesund und aktiv zu bleiben?

Franz Müntefering im Gespräch auf dem NWGA-Sommerfest
Franz Müntefering im Gespräch auf dem NWGA-Sommerfest

Selbstbestimmt leben. Selbstbestimmung bedeutet selbst bestimmen. Nicht: Staat oder ihr anderen, macht mal. Selbstbestimmung bedeutet Mitverantwortung.

Was ich empfehlen kann: LLL. Das heißt erstens: Laufen – oder Schwimmen oder Radfahren oder oder… Zweitens: Lernen – das kann auch lehren sein. Drittens: Lachen – das kann man alleine, aber noch besser im Kreis anderer Menschen. Auf jeden Fall neugierig bleiben auf das Leben und die anderen und die Welt.



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