Älter werden ist ein Thema, das uns alle beschäftigt – oder beschäftigen wird. Egal ob absehbar oder plötzlich: Werden Angehörige zum Pflegefall, muss man schnell handeln und Entscheidungen treffen. Den Pflegedienst beauftragen oder einen Platz in einem Heim organisieren? Oder die Pflege selbst übernehmen?
Wer sich für letzteres entscheidet, kann hier wertvolle Tipps finden: Corinna Kohröde-Warnken setzt sich in ihrem neuen Buch „Du bleibst du, und ich bleib ich“ vor allem auch damit auseinander, welche emotionalen Herausforderungen Pflegende erwarten – und wie sie ein Gleichgewicht zwischen Fürsorge und eigener Lebensqualität herstellen können.
Was hat Sie motiviert, dieses Buch zu schreiben?
Ich habe viele Jahre im Bereich Pflege gearbeitet. Ich bin examinierte Krankenschwester, habe in der Intensivmedizin gearbeitet und bin Prokuristin einer Altenpflegeeinrichtung. Von Beruf aus weiß ich also: Angehörige sind der größte Pflegedienst in Deutschland. Als dann auch in meinem privaten Umfeld immer öfter das Thema aufkam und schließlich auch meine Eltern pflegebedürftig wurden, ergab sich die Idee zu diesem Buch.
Es gibt schon viele Bücher über Pflege – was gibt es in Ihrem Buch Neues zu lesen?
Es gibt viele Pflegeratgeber im Handel, die das Thema sehr pragmatisch beleuchten. Wie beantrage ich Unterstützung? Wie wende ich mich an meine Krankenkasse? Dabei hat sich in meiner Berufserfahrung vor allem gezeigt, dass viele pflegende Angehörige vor allem Hilfe mit den emotionalen Herausforderungen benötigen. Viele Angehörige haben zum Beispiel Schuldgefühle, wenn ein Elternteil zur Pflege in ein Heim gegeben wird. Auch ich habe diese Erfahrung gemacht, als ich selbst ganz unerwartet zur Pflegerin für meine Eltern wurde. Trotz meines beruflichen Hintergrunds hat mich das kalt erwischt.
Welche Emotionen sind denn typisch für pflegende Angehörige?
Pflege ist natürlich immer etwas ganz persönliches. Gerade wenn die Eltern betreut werden, kommt es durch den Rollentausch zu einer ganz neuen emotionalen Bindung. Zur Pflege gehören viele positive Gefühle, wie zum Beispiel Liebe, Fürsorge und Freude. Aber auch negative Emotionen gehören dazu – auch wenn sie zumeist ein Tabuthema sind. Das möchte ich mit meinem Buch ändern.
Sie greifen hier auch Themen wie Gewalt, Scham und Ekel auf.
Ja, denn das betrifft viele – aber keiner spricht gerne darüber. Am wichtigsten ist es, diese Gefühle zu erkennen und dann auch zu benennen. Wenn man beispielsweise Ekel dabei empfindet, Inkontinenzhosen zu wechseln, dann ist das so. Das ist völlig okay! Man kann die Aufgabe dann auch unterbrechen, sich einen Moment für sich selbst nehmen und kurzzeitig eine räumliche Distanz schaffen. So kann man bewusster mit belastenden Situationen umgehen.
Plötzlich wird ein Angehöriger pflegebedürftig – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Tipps für Betroffene?
Das Stichwort hier ist gesunder Egoismus. Das bedeutet, dass man seine eigenen Grenzen erkennen und einhalten muss.
Das Stichwort hier ist gesunder Egoismus. Das bedeutet, dass man seine eigenen Grenzen erkennen und einhalten muss. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Feuerwehrmann. Brennt ein Haus, so schützen sich die Feuerwehrmänner immer erst selbst, bevor sie in das brennende Haus laufen.
Keiner ist je richtig auf diese Situation vorbereitet – selbst ich mit meinem Pflegehintergrund war es nicht. Man darf nicht in hektischen Aktivismus verfallen. Stattdessen: Ruhe bewahren und sich sammeln. Dann sollte man überlegen, wen man zur Unterstützung mit einbeziehen kann, um die Aufgaben auf so viele Schultern wie möglich verteilen zu können. Dazu können auch der Nachbar zählen, der ab und an nach dem Rechten schaut oder auch der Pfarrer in der Kirche. Dann wird es auch einfacher, die eigenen Grenzen einzuhalten – und eine Balance zu finden.
Weitere Infos
Das Buch „Du bleibst du, und ich bleib ich“ erschien im August 2019 im Gütersloher Verlagshaus.
ISBN: 978-3-579-01477-7
224 Seiten / gebunden
€ 18,00 [D]
Öffentliche Lesungen der Autorin beginnen im Januar 2020.