Was läuft schief in den deutschen Krankenhäusern?
Ballast: Eins vorweg: Grundsätzlich haben wir in Deutschland eine hervorragende Krankenhausversorgung. Früher gab es teils lange Wartezeiten vor einem Eingriff und auch die Liegezeiten in den Krankenhäusern waren lang. Die Einführung der Fallpauschalen war damals vor diesem Hintergrund die richtige Entscheidung. Sie haben die Vergütung ähnlicher Fälle vereinheitlicht und von der Dauer eines Krankenhausaufenthaltes abgekoppelt. Die Aufenthaltsdauer in den Kliniken wurde halbiert. Fakt ist jedoch: Es wird zu oft unnötig operiert – und wir haben zu viele Krankenhäuser, die dieselben Leistungen anbieten und sich zu wenig spezialisieren. Wir müssen weg von der reinen Fokussierung auf die Menge und die Qualität stärker in den Blick nehmen. Der Schlüssel dafür ist das Finanzierungssystem.
Wir müssen weg von der reinen Fokussierung auf die Menge und die Qualität stärker in den Blick nehmen.
Thomas Ballast
Herr Prof. Schreyögg, was können wir von anderen Ländern lernen?
Schreyögg: Insgesamt ist das System der Fallpauschalen ein guter Ausgangspunkt. Auch die anderen Länder arbeiten mit den sogenannten Diagnosis Related Groups (DRGs). Aber in deutschen Kliniken sorgen die Fallpauschalen für rund 80 Prozent der Krankenhauseinnahmen. Das ist in dieser Größenordnung im internationalen Vergleich einzigartig. Viele Länder haben deshalb neben einem alleinigen Anreiz für die Menge der Operationen zusätzliche Einnahmemöglichkeiten für Kliniken geschaffen, wenn sie eine besonders gute Qualität bei einem Eingriff nachweisen können. Häufig werden auch die unterschiedlichen Kosten von verschiedenen Kliniken genauer berücksichtigt. So gibt es beispielsweise zusätzliche Mittel für Kliniken auf dem Land oder spezialisierte Kliniken. Da könnten wir uns durchaus etwas abschauen.
Wie sieht der Lösungsvorschlag der TK aus?
Ballast: In unserem Konzept finanziert sich ein Krankenhaus im Wesentlichen aus drei Komponenten. Zunächst sind da die Vorhaltekosten, also die Fixkosten einer Klinik, die unabhängig von der Patientenzahl anfallen. Für Häuser, die wir für die Versorgung benötigten und die eine vom Gesetzgeber festgelegte Ausstattung für einen Eingriff vorweisen können, wollen wir die Vorhaltekosten über ein separates festes Budget finanzieren. Dafür müssten die Fallpauschalen entsprechend sinken. Dadurch nehmen wir den Kliniken etwas den Druck, ihre Fixkosten durch möglichst viele Eingriffe refinanzieren zu müssen. Die zweite Einnahmequelle wären weiterhin die Fallpauschalen, die dann aber einen geringeren Anteil an den Gesamteinnahmen hätten. Und als dritten Topf fordern wir ein Qualitäts-Budget. Darüber erhalten die Kliniken Boni, wenn sie nach einem Eingriff nachweisen können, dass sie die Leitlinien eingehalten haben oder besonders überdurchschnittliche Qualität erbracht haben.
Wie lässt sich ein solches Qualitätsbudget umsetzen?
Schreyögg: In Dänemark gibt es beispielsweise einen Aufschlag von drei Prozent auf die Fallpauschalen, wenn nachweisbar eine besonders gute Leistung erbracht wurde. Denkbar wären auch bestimmte Pauschalen oder Boni. Kriterien für die Boni könnten beispielsweise sein, dass besonders wenige Patienten zu einer Nachoperation ins Krankenhaus müssen oder bei gefährlichen Eingriffen mehr Patienten überleben als in anderen Kliniken. Das sollten möglichst klare und nachvollziehbare Kriterien sein, um Manipulationen auszuschließen.
Ballast: Mit einem Qualitätsbudget schaffen wir einen besonderen Anreiz dafür, dass die Häuser sich Gedanken machen und besonders innovative Konzepte entwickeln, wie sie ihre Arbeit und die Behandlungsergebnisse optimieren. Derzeit spielen Qualität und Innovation noch eine viel zu geringe Rolle im Klinikalltag. Nur wenn wir auch finanzielle Anreize schaffen, wird sich daran nachhaltig etwas ändern.