Herr Prof. Debatin, seit April 2019 leiten Sie den neu gegründeten Health Innovation Hub des Gesundheitsministeriums. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Vom Timing her hätte es nicht besser laufen können. Zum einen haben wir einen Gesundheitsminister, der davon überzeugt ist, dass digitale Technologien die Gesundheitsversorgung der Menschen verbessern. Gemeinsam mit seinem Team hat er durch kluge und emsige Gesetzgebung in den vergangenen 18 Monaten die entscheidenden Weichen für die Entwicklung der Digitalen Medizin in Deutschland gestellt. Von der ‚App auf Rezept‘ über die Ausweitung der Telematik-Infrastruktur bis hin zur Verabschiedung des Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG) mit seinen Festlegungen zur Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des e-Rezepts – so viel Fortschritt und Innovation in so kurzer Zeit war bislang gar nicht vorstellbar. Und dann kam Corona und die damit verbundene Erkenntnis, dass digitale Lösungen für die Bewältigung der Pandemie eine essenzielle, um nicht zu sagen ‚systemrelevante‘ Rolle einnehmen. All das zeigt, was plötzlich möglich wird, wenn „Machen“ das „Wollen“ ersetzt.
Welche Rolle spielt hier der Health Innovation Hub?
Das hih-Team konnte an vielen Stellen Brücken bauen. Wir sind Ansprechpartner für das Bundesgesundheitsministerium und zudem Anlaufstelle für alle wesentlichen Stakeholder des deutschen Gesundheitswesens. Wir kommen aus der Praxis und sind deshalb darauf fokussiert, Technologien mit Inhalten und Regulatorik so zu steuern, dass sie zu echten Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung führen. Im zweiten Schritt geht es dann um Kommunikation – die vielen Neuerungen zu erklären und in ein Gesamtbild zu fügen.
Und wie kann der Hub zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung beitragen?
Wenn Sie die Frage so stellen: Gar nicht (lacht). Der hih steht als Think Tank, Sparringspartner und Umsetzungsunterstützer denen zur Seite, die etwas zum Besseren ändern wollen. Denen, die umsetzungsorientierte, digitale Innovationen im Interesse einer besseren Patientenversorgung fördern wollen. Hier Wege aufzeigen, Netzwerke unterstützen und Lösungen moderieren, das ist unser Auftrag, dem wir sehr gerne nachkommen.
Wenn Sie so wollen, hat die Krise klare Handlungsempfehlungen aufgezeigt und gleichzeitig die damit verbundene Erkenntnis gebracht, dass digitale Lösungen für die Bewältigung der Herausforderungen eine essenzielle Rolle einnehmen.
Gesundheitsminister Spahn hat schon viele Gesetze zur Digitalisierung initiiert. Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach noch bis zum Ende der Legislaturperiode geregelt werden?
Corona und alles drumherum wird uns sicherlich auch noch bis ins Jahr 2021 begleiten. Unser Hauptaugenmerk richtet sich jedoch in den verbleibenden Monaten des Jahres auf die Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte, die ja zum 1. Januar 2021 in Deutschland eingeführt wird. Gäbe es sie bereits, wäre die Krise sicherlich noch besser bewältigt worden. Die ePA wird der Schlüssel zur Datenhaltung des Patienten. Sämtliche Gesundheitsinformationen werden standardisiert, datensicher und zugreifbar am Point-of-care zusammengefasst, sofern der Patient oder die Patientin dies wünscht. Verlässliche Informationen zu Medikation, Diagnosen und Therapien wird die Gesundheitsversorgung nicht nur auf ein neues Niveau heben; es wird sich letztendlich auch in niedrigeren Behandlungskosten widerspiegeln. Darüber hinaus werden wir versuchen, die dringend notwendige Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu unterstützen. Wenn Sie so wollen, hat die Krise klare Handlungsempfehlungen aufgezeigt und gleichzeitig die damit verbundene Erkenntnis gebracht, dass digitale Lösungen für die Bewältigung der Herausforderungen eine essenzielle Rolle einnehmen. Es wird also nicht langweilig.
Wie können Krankenkassen wie wir als TK Sie und Ihr Team unterstützen?
Wie bereits erwähnt, kommt der Einführung der ePA aus meiner Sicht eine besondere Rolle zu. Hier wiederum sind die Krankenkassen im ‚driver’s seat‘. Sie schaffen die technischen Voraussetzungen und sollten ihren Versicherten den Nutzen der ePA vermitteln. Durch Zusatzangebote sollten sie den Mehrwert der ePA weiter steigern. Die Vorteile einer solchen patientenzentrierten Akte in Form von besserer Vernetzung aller Ärzte, Pflegenden und sonstigen Leistungserbringer ohne Informationsverlust, innerhalb der erwiesenermaßen sicheren Telematikinfrastruktur, sind im Interesse einer besseren Gesundheitsversorgung alle Anstrengungen und Mühe wert.