Was sind die Belastungsfaktoren der Corona-Pandemie und die Auswirkungen auf uns Menschen? Damit beschäftigt sich das Corona-Dossier 2020 der TK. Unter dem Titel „Corona 2020: Gesundheit, Belastungen, Möglichkeiten“ beleuchtet die Studie neben der Entwicklung von Krankschreibungen und Arzneimittelverordnungen auch die Folgen für die seelische Belastbarkeit im Privat- und Arbeitsleben. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Chancen und Stressfaktoren im Homeoffice.
Genau diesem Thema hat sich Dr. Sai-Lila Rees gemeinsam mit ihrer Kollegin Hannah C. Tendyck vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) in Konstanz gewidmet. Die promovierte Sozialwissenschaftlerin ist dort im Bereich Analysen und Maßnahmen tätig. In ihrem Überblick über die wissenschaftliche Literatur zum Thema Homeoffice untersuchen sie, welche Vorteile Homeoffice uns bringt – und was uns dabei zu schaffen macht.
„Ressourcen und Stressoren im Homeoffice“ lautet die Überschrift Ihres Reviews – womit haben Sie sich da genau beschäftigt und was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?
Auf Basis von 70 empirischen Studien haben wir uns zunächst einmal angeschaut, was die Menschen im Homeoffice stresst (Stressoren) – aber auch welche Aspekte des Homeoffice sich positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken können (Ressourcen). In unserem Review haben wir vor allem festgestellt, dass dabei fünf Bereiche eine entscheidende Rolle für das Arbeiten im Homeoffice spielen.
Im Laufe der Zeit haben auch die Akzeptanz und der Wunsch der Beschäftigten, im Homeoffice zu arbeiten, zugenommen.
Welche Bereiche sind das?
Zunächst einmal wäre da der Ort, an dem ich arbeite (Arbeitsortgestaltung). Habe ich ausreichend Platz und im besten Falle einen Raum, in den ich mich zurückziehen kann? Ist mein Arbeitsplatz ergonomisch und gesundheitsgerecht? Und wie sieht es mit einer stabilen Internetverbindung aus? Wichtig ist auch die Frage danach, ob ich die Möglichkeit habe, meine Arbeitsaufgaben im Homeoffice selbst zu planen und einzuteilen (Arbeitsaufgabengestaltung). Wenn ich also eine klare Planung habe und wenige Unterbrechungen erfahre, kann das stressreduzierend sein. Daran schließt auch der nächste Punkt, die Arbeitszeitgestaltung, an: Im Homeoffice kann ich meine Arbeitszeit individuell an meinen eigenen Rhythmus anpassen – zumindest mehr, als das im Büro meist der Fall ist. Hier kommt es zudem darauf an, sich immer wieder Pausen zu schaffen und pünktlich Feierabend zu machen. Unser Review zeigt nämlich, dass im Homeoffice häufiger Überstunden gemacht werden. Ein weiterer Punkt ist die Arbeitskultur. Damit meinen wir unter anderem die soziale und emotionale Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kolleg:innen sowie den Zusammenhalt im Arbeitsteam. Gerade im Homeoffice kann durch die fehlende physische Nähe der Teamgeist leiden.
Fehlt noch ein fünfter Punkt.
Richtig – da wäre noch die sogenannte „Life-Domain-Balance“. Man kann sich darunter eine Art Erweiterung der bekannten Work-Life-Balance vorstellen. Während sich die Work-Life-Balance auf ein Gleichgewicht zwischen Job und Privatleben beschränkt, bezieht die Life-Domain-Balance daneben noch weitere Faktoren wie die Familiensituation oder Freizeitaktivitäten mit ein. Die Vorteile, die das Homeoffice dafür bietet, sind vielfältig. Durch das Wegfallen der Fahrzeit zum Arbeitsort habe ich zum Beispiel abends mehr Zeit für meine Hobbys. Oder wenn ich mich nebenbei um Kinder kümmern muss, wie das oftmals im Frühjahr bei geschlossenen Kitas der Fall war, bietet das Homeoffice dazu die Möglichkeit. Man darf aber gleichzeitig die Kehrseite nicht ignorieren. Weniger Ruhezeiten und Pausen sowie das Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeitszeit und privater Zeit können sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken.
Frau Dr. Rees, inwiefern hat sich die Nutzung von Homeoffice während der Corona-Pandemie verändert?
Im Januar dieses Jahres haben ca. 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Homeoffice gearbeitet. Von März bis Mai 2020 ist die Studienlage weniger einheitlich. So schwanken die Zahlen zwischen 35 und 50 Prozent der Arbeitnehmer, die zumindest teilweise von zuhause arbeiteten. Die Zahl der Arbeitnehmer im Homeoffice hat sich also im Mittel verdoppelt. Besonders Unternehmen, die bereits vor Corona Homeoffice angeboten haben und digitalen Arbeitsformen offen gegenüberstehen, haben ihre Strukturen noch verstärkt und erweitert. Zudem hat sich ein Wandel vollzogen – weg vom gelegentlichen Homeoffice hin zu regelmäßigerem Arbeiten am heimischen Schreibtisch. So gestalten einige Beschäftigte ihre Arbeitswoche mit mehreren Tagen im Homeoffice. Im Laufe der Zeit haben auch die Akzeptanz und der Wunsch der Beschäftigten, im Homeoffice zu arbeiten, zugenommen.
Tipps für gesundes Arbeiten im Homeoffice
Tipps für Arbeitnehmer
- Feste Morgen- und Abendroutinen einführen, um Arbeit und Privatleben voneinander abzugrenzen.
- Bei der Tagesplanung auf seine eigene kognitive Leistungsfähigkeit achten. Bin ich also am Morgen leistungsfähiger, sollte ich mir komplexere Aufgaben auf den Vormittag legen.
- Einhalten regelmäßiger Pausenzeiten.
Tipps für Arbeitgeber
- Die nötige IT-Infrastruktur zur Verfügung stellen.
- Die Mitarbeiter über Datenschutzregeln aufklären.
- Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements Seminare und Angebote zum Beispiel zur Selbstorganisation, Ernährung und Bewegung im Homeoffice anbieten.
Tipps für Führungskräfte
- Für regelmäßigen teaminternen Austausch sorgen und diesen koordinieren.
- Zeit und Raum auch für persönlichen (Erfahrungs-)Austausch geben (z.B. Bei wem läuft das Arbeiten im Homeoffice gut? Wer hat Schwierigkeiten?).