Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist in der auslaufenden Legislaturperiode deutlich vorangegangen, von der Einführung der Apps auf Rezept über das E-Rezept bis hin zum bundesweiten Start der elektronischen Patientenakte (ePA). Ein Gespräch darüber, wie es nun weitergehen muss und warum die ePA dabei eine zentrale Rolle spielt.
Welche Rolle spielt die elektronische Patientenakte bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems?
Ozegowski: Mit der ePA legt Deutschland das Fundament für ein zukunftsorientiertes Gesundheitssystem. Daten helfen uns, Krankheiten und Krankheitsverläufe besser zu verstehen und damit erfolgreicher zu behandeln. Auch in Notfällen kann schneller und präziser geholfen werden, wenn alle relevanten Informationen gebündelt vorliegen. Genau hier setzt die ePA an. Sie ist ein sicherer Speicherort für Informationen und vernetzt Patienten, Arztpraxen, Kliniken, Therapeuten und Apotheken. Und: Bei der ePA bestimmen die Versicherten, was mit ihren Daten geschieht.
Cardinal: Allerdings muss hier noch einiges passieren. Damit die ePA die Versorgung der Versicherten verbessern kann, brauchen wir zunächst dringend eine flächendeckende Anbindung der Ärztinnen und Ärzte. Alle Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und Therapeuten müssen an die Telematikinfrastruktur angebunden sein – sonst kommt die ePA nicht zum Fliegen. Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Ärztinnen und Ärzte ihre Daten auch in die Akte laden können.
Vernetzung und der Datenaustausch sind der Kern der Digitalisierung. Wie können Daten zur Versorgung der Versicherten beitragen?
Ozegowski: Daten intelligent und verantwortungsvoll zu nutzen, also sinnvoll zu verknüpfen und zu analysieren, kann auch die Gesundheit der Bevölkerung verbessern. Das stellt ebenfalls der zuständige Sachverständigenrat in seinem aktuellen Gutachten fest und kommt sogar zu dem Schluss, dass es fahrlässig uns ethisch bedenklich ist, diese Chancen nicht zu nutzen.
Cardinal: Vor uns liegt noch ein weiter Weg. Ein wichtiger erster Schritt wären aktuellere Daten. Uns erreichen Daten aus Praxen teilweise erst sechs Monate nach Quartalsende, also bis zu neun Monate nach einer Behandlung. Die von der Politik initiierte Versandaktion von Gutscheinen für FFP-2-Masken hat gezeigt, was das konkret für Versicherte bedeuten kann: Wie sollen wir Risikoschwangere mit Masken ausstatten, wenn wir in der Regel erst nach der Entbindung von ihrer Schwangerschaft erfahren? Das muss sich ändern und deshalb begrüßen wir als TK sehr, dass der Gesetzgeber im Zuge des geplanten GVWG eine schnellere Übermittlung der Abrechnungsdaten zwischen Praxen und Krankenkassen diskutiert.
Und von der Aktualität einmal abgesehen: Was ist in Sachen Daten noch notwendig, damit die Chancen der ePA für die Versicherten voll zum Tragen kommen?
Ozegowski: In Bezug auf die Nutzung der von uns erhobenen Daten, also der Abrechnungsdaten, ist gerade in den letzten Jahren schon viel passiert. Das können wir jetzt auch für gezieltere Versorgungsangebote nutzen. Aber an vielen Stellen sind uns noch die Hände gebunden. Insbesondere was die versorgungsrelevante Auswertung von Forschungsdaten betrifft, also die Möglichkeit, zusätzliche Gesundheitsdaten, z.B. aus der ePA, anonymisiert zu nutzen und mit unseren Daten zu verknüpfen, um die Versorgung für unsere Versicherten gezielter oder besser zu machen.
Cardinal: Das PDSG hat es ermöglicht, dass wir Daten unserer Kundinnen und Kunden für die Verbesserung der Versorgung nutzen dürfen. Selbstverständlich nur mit Einwilligung der Versicherten. Bislang sind die Möglichkeiten hier jedoch noch beschränkt. Um das Potenzial der Daten auch wirklich konkret für die bessere Versorgung unserer Versicherten nutzen zu können, müssen die Möglichkeiten unbedingt erweitert werden.