Was genau ist eigentlich Stress?
Stress ist die Reaktion auf ein Ereignis oder eine Herausforderung, die dazu dient, die Anforderung bewältigen zu können. Früher war das vielleicht der Angriff des Säbelzahntigers, der in uns kurzzeitig enorme Kräfte aktiviert hat, heute begegnen uns Stressauslöser in einer anderen Qualität. Vielfach ist Stress negativ konnotiert, es handelt sich aber primär um eine psychophysische Reaktion, die nicht per se negativ oder positiv ist. Herausforderungen sind nicht gleich Überforderungen, sondern können uns auch motivieren und antreiben, weiter zu laufen oder höher zu springen. Wenn eine Situation aber als überfordernd erlebt wird, zum Beispiel, weil sie lange andauert, die Reize zu stark sind und die nötigen Ressourcen zur Bewältigung nicht zur Verfügung stehen, dann ist Stress negativ. Wann es zu einer Stressreaktion kommt, ist hochindividuell und hängt auch davon ab, welche Bedeutung wir dem Reiz geben. Die E-Mail des Chefs kann für den Einen Ansporn sein, beim Anderen Druck oder Angst auslösen.
Wann es zu einer Stressreaktion kommt, ist hochindividuell und hängt auch davon ab, welche Bedeutung wir dem Reiz geben. Die E-Mail des Chefs kann für den Einen Ansporn sein, beim Anderen Druck oder Angst auslösen.
Stress ist also Teil des Lebens. Wie können wir lernen, mit dem negativen Stress besser umzugehen?
Die Reaktion, die auf Stress folgt, geschieht auf körperlicher, mentaler und emotionaler aber auch auf der Ebene des Verhaltens. Im ersten Schritt gilt es, achtsam zu sein und die eigenen Signale und Reaktionen wahrzunehmen. Im zweiten Schritt ist zu überlegen: Wie kann ich aus meinem Stresskarussell aussteigen? Welche Strategie hier funktioniert, ist genauso individuell, wie das Stressempfinden. Grundsätzlich gibt es drei Ansatzpunkte:
1) Regenerativ: Wie kann ich mein System herunterfahren? Das kann Bewegung, gezielte Entspannung, eine leckere Mahlzeit oder ein Gespräch mit einem guten Freund sein.
2) Instrumentell: Wie kann ich am Stressauslöser etwas verändern? Im Arbeitskontext ist ein Thema oft die hohe Arbeitslast. Lösungsansätze können sein, sich im Sinne von Zeit- und Selbstmanagement besser zu strukturieren oder bewusst Prioritäten zu setzen, wenn nicht alles zu schaffen ist.
3) Mental: Welche Einstellung habe ich zu dem Stressor? In jeder Minute haben wir in der Hand, wie wir über Dinge denken: Eine herausfordernde Situation kann ich als Chance oder aber als Bedrohung sehen. Von meiner Bewertung hängt ab, wie lange und stark meine Stressreaktion ausfällt. Der Ansatzpunkt zur Bewältigung ist hier sich zu fragen: Welcher Blick auf die Situation ist hilfreich? Zum Beispiel auch eigene Ansprüche zu hinterfragen und mentale Alternativen zu entwickeln.
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Die TK-Stressstudie 2021 hat ergeben, dass der Hauptstressor die Arbeit ist. Wo lässt sich hier ansetzen?
Am effektivsten ist ein Ansatz, der auf oberster Managementebene beginnt. Wenn man sich dort dem Thema Gesundheitsförderung widmet, haben auch alle weiteren Hierarchieebenen es wesentlich leichter, Maßnahmen zur Stressreduktion umzusetzen. Im Sinne eines nachhaltigen Betrieblichen Gesundheitsmanagements sollte zuerst ermittelt werden, was der Bedarf im jeweiligen Unternehmen ist. Wichtig ist, dass Maßnahmen der Verhaltensprävention, sprich Strategien des eigenen Verhaltens, mit denen ich Stress reduzieren oder vorbeugen kann, mit Maßnahmen der Verhältnisprävention Hand in Hand gehen.
Auf Seiten der Verhältnisprävention geht es zum Beispiel um die Arbeitsorganisation, aber auch darum, welche Arbeitskultur vorherrscht. Beim Thema Arbeitslast beispielsweise ist zu schauen, ob über eine veränderte Planung oder verbesserte Abläufe das Belastungserleben reduziert werden kann. Gleichzeitig ist eine offene Kultur des Austauschs wichtig: Kann ich sagen, dass die Arbeitslast zu groß ist und erfahre ich dann Unterstützung? Oder gelte ich dann einfach nur als nicht belastbar?
Eine wichtige Rolle kommt den Führungskräften zu, denn sie sind Vorbilder und haben unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre. Viele Befragte haben angegeben, dass die ständige Erreichbarkeit ein großer Stressor ist. Da Vorgesetzte immer auch Orientierung geben, macht es einen Unterschied, ob ständige Erreichbarkeit erwartet wird oder es auch im Arbeitsalltag der Führungskraft „offline“-Zeiten gibt.
Insgesamt plädiere ich für Kreativität und Offenheit, Maßnahmen auszuprobieren, kleine Schritte und auch unkonventionelle Wege zu gehen, wenn man sich von ihnen gesundheitsfördernde Effekte verspricht.
Sie beraten Unternehmen schon länger zu diesem Thema, können Sie eine Entwicklung beobachten?
Auf jeden Fall! Eine sehr positive Entwicklung ist, dass viele Unternehmen mittlerweile verstanden haben, dass die Gesundheit ihrer Mitarbeiterschaft kein nice-to-have, sondern ein must-have ist.
Immer deutlicher wird: Neben dem klassischen Obstkorb oder der Massage in der Mittagspause geht es darum, strukturell ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld zu schaffen. Dabei auch die Belastungen einzelner Mitarbeitergruppen im Blick zu haben – wie beispielsweise die Belastungen berufstätiger Mütter in der Pandemie – und darauf mit Flexibilisierung und Unterstützung zu reagieren.
Corona hat jetzt natürlich einiges über den Haufen geworfen: Sowohl Ressourcen als auch Prioritäten haben sich in vielen Unternehmen verschoben. Plötzlich ging es vielfach nur noch ums Überleben. Aber auch wenn finanzielle Ressourcen wegfallen, bin ich überzeugt, dass es in jedem Unternehmen kleine Stellschrauben gibt und seien es institutionalisierte Mikropausen zwischen Meetings.
Weitere Informationen
Nach 2013 und 2016 hat die TK 2021 bereits zum dritten Mal ihre Stressstudie veröffentlicht. Alle Informationen zur Studie „Entspann dich, Deutschland!“ sowie weiterführendes Material wie Grafiken und Videostatements finden Sie online auf der Themenseite.