Im Netz beleidigt, ausgegrenzt und bloßgestellt werden – für viele Schülerinnen und Schüler gehört das zum Alltag. Mehr als 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen acht und 21 Jahren (16,7 Prozent der Befragten) geben an, bereits Opfer von Cybermobbing geworden zu sein, das zeigt die aktuelle Studie „Cyberlife IV – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“, die vom Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der TK durchgeführt wurde.
Zunahme von Cybermobbing seit Corona
Die hohe Zahl der Betroffenen macht deutlich, was sich bereits in den Vorgängerstudien von 2017 und 2020, abgezeichnet hat: Onlinegewalt unter Jugendlichen hat während der Pandemie zugenommen. So wurde im Jahr 2017 etwa jeder achte Heranwachsende (12,7 Prozent) schon einmal im Netz gemobbt, drei Jahre später berichtete bereits jeder fünfte Befragte (17, 3 Prozent) von Mobbing-Erfahrungen. Die Ergebnisse der aktuellen Studie bestätigen diesen Trend: Rund sieben von zehn Kindern und Jugendlichen (65 Prozent) gaben hier an, dass Cybermobbing seit Corona zugenommen hat, fast die Hälfte der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer (46 Prozent) sehen das genauso.
Der Alltag findet digital statt
„Cybermobbing hat sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt.“ stellt Uwe Leest, der Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing, fest. Ein Grund dafür sind die veränderten Lebensumstände der Schülerinnen und Schüler: Durch Home-Schooling und Kontaktbeschränkungen verlagerten sich nicht nur Freundschaften, sondern auch soziale Konflikte zunehmend in die digitale Welt.
Im Netz wird anders gemobbt
Die Möglichkeiten des Netzes verändern dabei auch, wie gestritten und beschimpft wird: „Mobbing hat durch digitale Medien eine neue Dimension angenommen. Neben Beschimpfungen und Beleidigungen kommen zum Beispiel Fake-Profile oder rufschädigende Fotos in sozialen Netzwerken hinzu. Was besonders schlimm ist: Die Ausgrenzung begleitet die Betroffenen auch über ihre Schulzeit hinaus, denn durch das Smartphone & Co ist dem Mobbing bzw. Cybermobbing auch Zuhause kein Ende gesetzt.“ erklärt TK-Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas.
Psychische Folgen von Onlinegewalt
Die emotionale Belastung, unter der die betroffenen Schülerinnen und Schüler leiden, ist immens: Viele gaben an, sich verletzt, wütend und verängstigt zu fühlen. Jede beziehungsweise jeder Sechste hat sich aus diesem Grund schon einmal mit Alkohol, Tabletten oder Drogen betäubt. Etwa einem Viertel der Heranwachsenden erschien die eigene Lage so aussichtslos, dass er beziehungsweise sie bereits Suizidgedanken hatte.
„Die Folgen der dauerhaften Ausgrenzung im Netz sind gravierend und äußern sich körperlich wie auch psychisch, in Magenschmerzen, Angstzuständen oder Depressionen. Gerade Kinder und Jugendliche sind emotional besonders verletzlich. Die Mobbingerfahrungen wirken oftmals auch noch jahrelang nach“, betont TK-Chef Baas.
Weniger Prävention während der Pandemie
Um die Entstehung von Cybermobbing zu verhindern, bieten engagierte Schulen Präventions- und Hilfsangebote wie Kurse zur konfliktfreien Problemlösung, Streitschlichterprogramme, Anti-Gewalt-Trainings oder Schulungen zum Umgang mit Medien an. Zusätzlich gibt es Angebote, die gezielt Strategien zum Umgang mit Cybermobbing vermitteln. Die „Cyberlife IV“-Studie zeigt: Während der Pandemie wurden viele dieser Programme heruntergefahren – obwohl der Bedarf an schulischer Präventionsarbeit groß ist.
Lehrende und Eltern als Vorbilder
Zentral für die Prävention von Cybermobbing ist es, so Uwe Leest, dass Schülerinnen und Schüler erwachsene Ansprechpersonen haben, die sie aktiv unterstützen und ihnen ein wertschätzendes Miteinander vorleben: „Erfahrungen zeigen, dass vor allem Lehrenden und Eltern eine besondere Aufgabe zufällt, wenn es um das Thema Vorbildfunktion und die Vermittlung menschlicher Werte für Kinder geht. Diese Gruppen gilt es besonders zu stärken und zu unterstützen.“
Medienkompetenz: mehr als technisches Know-how
Aufgabe von Lehrenden und Eltern ist es auch, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Social Media zu schulen und sie für die Folgen ihres Handelns im Internet zu sensibilisieren. Für TK-Chef Baas bedeutet die Förderung der Medienkompetenz dabei mehr als nur „technisches Know-how im Umgang mit Smartphone, Laptop und Co.“. Vielmehr geht es um „die Reflektion der eigenen Mediennutzung, um einen respektvollen Umgang miteinander im Netz. Was löst mein Handeln bei jemand anderem aus? Wo sind Grenzen? Was ist strafbar?“.