Wie kann die Digitalisierung nach Ihrer Erfahrung die Patientenversorgung verbessern?
Ein Beispiel: Demenzkranke leiden häufig zusätzlich an weiteren altersbedingten Krankheiten und sind mit fortschreitender Erkrankung auf Betreuungspersonen angewiesen. In einer solch komplexen Versorgungssituation mit vielen Beteiligten besteht das Risiko, dass relevante Gesundheitsinformationen – beispielsweise beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung – verloren gehen. Wir waren Kooperationspartner im SimPat-Projekt. Dort haben wir ein digitales Fallmanagementsystem entwickelt, das die Kommunikation und sämtliche Abstimmungsprozesse zwischen Patientinnen und Patienten, Angehörigen, behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie dem beteiligten Pflegepersonal verbessert. Uns hat das Projekt gezeigt, dass ein solches Tool sehr großes Potenzial hat, Brüche in der medizinischen Versorgung zu vermeiden und die Situation von Demenzkranken zu verbessern. Darüber hinaus profitieren wir von ersten Erfahrungen mit der elektronischen Patientenakte (ePA). Schon seit ein paar Jahren können TK-Versicherte in 16 unserer Häuser ihren Entlassbrief in ihre ePA „TK-Safe“ einspielen lassen. Bislang wird diese Möglichkeit erst von wenigen genutzt. Mit der Umsetzung der Telematikinfrastruktur wird dies aber sicher in den nächsten Jahren zunehmen.
Welche Voraussetzungen braucht es für den Aufbau eines digital vernetzten Gesundheitswesens?
Aus unserer Sicht ist die Telematikinfrastruktur Dreh- und Angelpunkt. Sie ist für einen reibungslosen Austausch medizinischer Daten zwingend erforderlich. Nur wenn der digitale Austausch zwischen allen Akteuren des Gesundheitswesens funktioniert, können Patientinnen und Patienten künftig ganz selbstverständlich auf alle Daten und Unterlagen zugreifen oder selbst Informationen, beispielsweise aus ihrer ePA, direkt in die Patientenportale der Kliniken oder an weitere Leistungserbringer übertragen. An der Stelle sind wir aber leider noch immer nicht. Daher müssen gegebenenfalls Übergangslösungen geschaffen werden – aber die Vision sollte allen klar sein.
Wie weit sind Sie mit dem Aufbau der digitalen Patientenportale und welchen Herausforderungen stehen Sie gegenüber?
Wir bereiten derzeit die europaweite Ausschreibung für unseren Konzern vor. 2023 wollen wir das Portal in den ersten Einrichtungen pilotieren und dann sukzessive konzernweit ausrollen. Entscheidend ist für uns: Wir wollen ein digitales Portal schaffen, das für unsere Patientinnen und Patienten, aber auch für alle Mitarbeitenden nutzerfreundlich und sinnvoll ist. Das ist eine komplexe Aufgabe. Am Prozess der Terminvergabe und der Aufnahme sind innerhalb der Klinik viele Berufsgruppen aus Pflege, ärztlichem Dienst oder Verwaltung beteiligt. Die bislang noch analogen und hybriden Aufnahmeprozesse, wie etwa das Ausdrucken von Verträgen zur Unterschrift, die anschließend wieder eingescannt werden müssen, sollen nun digitalisiert werden. Es gibt mittlerweile unzählige Angebote für digitale Patientenportal-Lösungen, die auch Anamnese, Patientenaufklärung oder Terminvergabe abdecken, über die wir uns aktuell noch einen Überblick verschaffen müssen.
Was können die digitalen Portale verbessern?
Unser wichtigstes Ziel ist es, den Prozess der Aufnahme, Behandlung und Entlassung für unsere Patientinnen und Patienten transparenter und einfacher zu gestalten. Grundsätzlich erhoffen wir uns, in der ärztlichen Behandlung und in der Pflege durch einen besseren Überblick über die Behandlungsdaten, Befunde und weitere Patientendaten noch gezielter auf die Bedarfe eingehen zu können. Auch erhoffen wir uns positive Effekte in der medizinischen Versorgung. Die Patientinnen und Patienten werden über die Patientenportale künftig während ihres Klinikaufenthalts intensiver begleitet und in die Behandlung eingebunden. Sie können sich beispielsweise rund um die Uhr per Tablet oder Smartphone über ihre laufende Behandlung informieren. Dadurch kann eine höhere Therapietreue erreicht werden.
Welche veränderten Arbeitsweisen fordern die Portale von Ihren Mitarbeitenden?
Aus unserer Sicht wird sich der Aufnahmeprozess durch die neuen technologischen Möglichkeiten komplett verändern. Wir hoffen aber auch, dass sich der bislang oft herausfordernde und arbeitsintensive Aufnahme- und Behandlungsprozess für die Mitarbeitenden entspannt. Sie sollten künftig unter anderem direkt auf wichtige Behandlungsunterlagen wie Überweisungsscheine, Medikationspläne und weitere wichtige Daten zugreifen können, die die Patientinnen und Patienten teilweise bereits im Vorfeld ihres Krankenhausaufenthaltes zu Hause hochgeladen haben.
Was meinen Sie: Wie werden die Portale bei den Patientinnen und Patienten ankommen?
Wir gehen davon aus, dass es in den ersten Jahren zu Parallelstrukturen kommt. Ein Teil der Patientinnen und Patienten wird sicherlich den digitalen Pfad über die Patientenportale nutzen. Viele werden aber weiterhin auf analogem Wege zu uns kommen bzw. Kontakt aufnehmen. Insgesamt wird es darauf ankommen, wie gut das Tool ist und welchen Mehrwert es für die Patientinnen und Patienten bietet. Zeitersparnis und leicht zugängliche Informationen und insgesamt eine Optimierung des gesamten Ablaufs sind dabei entscheidend. Nur dann werden die Patientenportale aus unserer Sicht auch genutzt werden.