Ziel des wissenschaftlich begleiteten Innovationsfondsprojekts „sekTOR-HF“ ist es, unnötige Einweisungen ins Krankenhaus zu reduzieren und eine Verschlechterung der Erkrankung zu verhindern. Eines der Kernelemente des Projekts ist ein eHealth-Portal, in das Patientinnen und Patienten täglich ihre Gesundheitsdaten eintragen. Ein zweites ist ihre intensive Begleitung durch das medizinische Fachpersonal einer koordinierenden Netzwerkstelle.
Initiiert wurde sekTOR-HF von Professor Bernd Griewing, Chief Medical Officer der Rhön-Klinikum AG, der auch das gesamte Projekt verantwortet. Privatdozent Sebastian Barth, Leitender Oberarzt im Bereich Kardiologie des Rhön-Campus Bad Neustadt, ist für das Innovationsfondsprojekt dort zuständig.
Herr Dr. Barth, was haben Sie sich vom Projekt erhofft?
Sebastian Barth: Als Klinikarzt interessierte mich in erster Linie, ob wir eine sektorenübergreifende Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz schaffen können, die hilft, Klinikaufenthalte aufgrund einer dramatisch verschlechterten Pumpleistungen des Herzens zu vermeiden. Ich war positiv überrascht, wie gut die Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor funktioniert hat. Durch das eHealth-Portal konnten wir kurzfristig auf Änderungen des Gesundheitszustands der Patientinnen und Patienten reagieren. So ein Modell, in dem sektorenübergreifende Versorgungsprozesse durch eine Netzwerkstelle koordiniert werden, kann gerade in ländlichen Regionen einen vielversprechenden Ansatz für die Zukunft darstellen.
Welches Feedback geben die Betroffenen?
Sebastian Barth: Viele Patientinnen und Patienten haben ihre aktive Beteiligung, indem sie ihre klinischen Gesundheitsdaten selbst digital dokumentiert haben, begrüßt. Dies und die engmaschige Betreuung durch die Mitarbeitenden der Netzwerkstelle, die die eingegebenen Daten gesichtet und bei Bedarf entsprechende Handlungsempfehlungen gegeben haben, führte zu einer größeren Sicherheit und Vertrauen in die behandelnden Personen. Die medizinischen Lernmodule auf der eHealth-Plattform haben darüber hinaus ihr Verständnis für ihre schwerwiegende Erkrankung gestärkt.
Viele Patientinnen und Patienten waren dankbar, dass hinter all der Technik immer auch eine Ansprechpartnerin stand, die jederzeit helfend zur Verfügung stand.
So ein Modell, in dem sektorenübergreifende Versorgungsprozesse durch eine Netzwerkstelle koordiniert werden, kann gerade in ländlichen Regionen einen vielversprechenden Ansatz für die Zukunft darstellen.
Dr. Sebastian Barth
Welche weiteren digitalen Tools können die medizinische Versorgung verbessern?
Sebastian Barth: Der demografische Wandel, der rasante wissenschaftliche Fortschritt und die Digitalisierung werden das Gesundheitssystem und damit alle Gesundheitsberufe nachhaltig verändern. Wir werden in Zukunft nicht nur neue Berufsbilder brauchen, sondern auch neue Kompetenzen, insbesondere in der Digitalisierung und der Zusammenarbeit zwischen den medizinischen Berufsgruppen. Im Zentrum stehen hier sektorenübergreifende Konzepte, digitale Tools zur intersektoralen Zusammenarbeit und mobile Tools, die verfügbare digitale Versorgungsdaten nutzbar machen.
In der Kardiologie liegt die größte Erfahrung im Telemonitoring bislang in der Device Therapie vor, also etwa in der Behandlung mit Herzschrittmachern, implantierbaren Defibrillatoren oder anderen kardialen Stimulationssystemen. Aufgrund der Komplexität von Krankheitsbildern und ihren Entstehungsmechanismen wird künftig auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz, wie etwa das maschinelle Lernen bei der Diagnostik und Therapie, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Mögliche Anwendungsgebiete könnten hierfür beispielsweise die Optimierung der Arzneimitteltherapie bei älteren Patientinnen und Patienten sein oder die Auswertung und Analyse von Daten zur besseren Risikovorhersage von Krankheitsentstehungen.
Herr Prof. Griewing, wie kam es zur Idee, ein Versorgungsprojekt für Menschen mit Herzschwäche zu initiieren?
Prof. Griewing: Die Projektidee von sekTOR-HF vereint viele Überlegungen. Wir wollten Erfahrungen mit der Ambulantisierung, Digitalisierung und Netzwerkbildung sammeln. Außerdem wollten wir ein sektorenübergreifendes Versorgungsmodell entwickeln, das einer Unter- aber auch Überversorgung der Patientinnen und Patienten begegnet und sie dabei in den Fokus stellt. Zudem bot es sich an, unser Campus-Konzept für das Projekt zu nutzen. Dabei handelt es sich um ein Modellprojekt, das ambulante und stationäre Angebote verzahnt, die üblicherweise räumlich getrennt sind. Darüber hinaus haben wir für das Projekt ein neuartiges, sektorenübergreifendes Vergütungsmodell entwickelt, das für die gesamte Behandlungsepisode eine Pauschale vorsieht.
Was waren Ihre spannendsten Erfahrungen bei der Projektentwicklung?
Prof. Griewing: Die Diskussion mit unseren Partnern und innerhalb unseres Klinikkonzerns war ein intensiver, kreativer Prozess, den ich als großen Gewinn empfinde. Ein Innovationsfondsprojekt benötigt von der ersten Idee bis hin zu Antragsstellung und Projektstart einen langen Atem. Erste Ideen haben wir bereits 2017 diskutiert. In den Jahren danach war es ein aufwändiger Weg, die unterschiedlichen Perspektiven von Leistungserbringern, Kostenträgern, Medizinern und Ökonomen miteinander zu verbinden. Auch die Covid-Pandemie hat uns vor allem bei der Rekrutierung der Patientinnen und Patienten vor eine große Herausforderung gestellt.