Kerstin Grießmeier

„In der Planung ging es zu oft um Bestanderhaltung“

Dr. Gerald Gaß ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Beim Forum Versorgung der TK diskutiert er mit weiteren Expertinnen und Experten zum Thema Krankenhausplanung. Im Interview erläutert er, worauf es aus Sicht der Kliniken bei der Krankenhausreform ankommt.

Die Krankenhausreform soll die Versorgung in Deutschland besser machen, Stichwort „Qualität“. Was muss sich durch die Reform in der Kliniklandschaft ändern?

Qualitätspotenziale zu heben, muss das Ziel jeder Krankenhausreform sein und natürlich gibt es Dinge, die wir besser machen können. Ganz offensichtlich ist beispielsweise, dass die Versorgung in manchen Regionen zu breit auf zu viele Standorte verteilt ist, wir müssen außerdem hochspezialisierte Leistungen stärker in Zentren anbieten und das Personal gezielter einsetzen. Ich möchte aber auch klarstellen, dass wir in Deutschland nicht von flächendeckend schlechter Qualität sprechen können. In der Diskussion wird immer wieder auch von der Politik dieser Eindruck vermittelt. Die Bevölkerung kann Vertrauen in die Krankenhausversorgung haben.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. DGK/Lopata.

Eins der drängendsten Probleme in der stationären Versorgung ist derzeit fehlendes Personal. Welche Auswege sehen Sie durch die Reform?

Ein planvoller Konzentrationsprozess in der Kliniklandschaft kann hier helfen. ‚Planvoll‘ darf man aber nicht mit ‚maximal‘ gleichsetzen, es kommt auf eine angemessene Balance zwischen Erreichbarkeit und Spezialisierung an.

Wichtig für Kliniken ist auch, bei Personalvorgaben eine gewisse Flexibilität zu erhalten, anstatt starre Personal-Konstellationen vorgegeben zu bekommen. Das heißt nicht ‚Beliebigkeit‘, aber es sollte klar sein, dass unterschiedliche Teamzusammenstellungen zum Behandlungserfolg führen können. Auch hier gilt, man sollte auf die Ergebnisqualität fokussieren, statt nur auf starre Strukturvorgaben zu setzen.

Auch wenn das Gesetz noch nicht fertig ist, steht fest: Die Reform wird die Kliniklandschaft verändern. Sorgen um die wohnortnahe Versorgung treffen auf Forderungen nach mehr Spezialisierung – wie lässt sich das lösen?

Es gibt hier nicht die eine medizinisch optimale Balance – das ist immer auch eine politische und gesellschaftliche Abwägung. Die Grundversorgung und die Notfallversorgung der ersten Stufe sollten natürlich so gut wie möglich wohnortnah verfügbar sein. Ein Lösungsansatz können regionale Versorgungsverbünde sein, bei denen Zentren oder Maximalversorger mit Einrichtungen in der Fläche kooperieren. Und es gilt, moderne Technologien zu nutzen. Warum sollte immer der Patient oder die Patientin wandern müssen – wenn Fachkräfte zum Beispiel auch über digitale Anwendungen erreichbar sein können.

In Deutschland gibt es fast 2.000 Krankenhäuser, die Strukturen sind historisch gewachsen – Sie rechnen mit einer deutlichen Reduzierung der Standorte innerhalb der kommenden zehn Jahre. Was braucht es, damit der Transformationsprozess zu einer modernen und bedarfsgerechten Krankenhauslandschaft gelingt?

Ein solcher politisch gewollter Prozess muss auch politisch begleitet werden. Eine so große Veränderung geht nicht ohne Investitionen: Wenn Kliniken fusionieren, wenn Standorte zu sektorübergreifenden Einrichtungen umgewandelt werden oder nach Schließungen bestimmte Kapazitäten an anderen Standorten erweitert werden, kostet das Geld. Hier muss die Politik – in diesem Fall Bund und Länder – ihrer Verantwortung nachkommen. Krankenhausplanung ist Länderaufgabe, allerdings ging es dabei bisher zu oft um Bestanderhaltung statt um eine gestaltende, auf die Zukunft ausgerichtete, bedarfsgerechte Planung. Das muss sich ändern.

Wo sehen Sie die größten Hindernisse für diesen Prozess?

Das größte Hindernis heißt ‚Misstrauen‘. Leider war das von Anfang an Teil des Reformprozesses, der unter Ausschluss von Selbstverwaltung und Ländern begann. Dadurch vergab man sich die Chance auf einen konstruktiven Austausch, der auch die Kompromissbereitschaft gefördert hätte. Das Misstrauen ist groß, auch bei den Ländern. Das erschwert auch, die Bevölkerung mitzunehmen und gemeinsam zu vermitteln, warum bestimmte Veränderungen notwendig sind und auch mittelfristig bessere und nachhaltigere Versorgungsstrukturen schaffen können.

Unser Gesundheitssystem ist bekannt für seine starren Sektorengrenzen – welche Chancen bietet die Reform, das zu ändern?

Mehr Ambulantisierung ist notwendig und muss auch Ziel der Reform sein. Im internationalen Vergleich haben wir in Deutschland sehr viele vollstationäre Fälle. Wenn heute ein Patient oder eine Patientin in die Klinik kommt, gibt es – bis auf wenige Ausnahmen – nicht die Option ihn oder sie auch ambulant zu behandeln, weil es für die ambulante Behandlung einer entsprechenden persönlichen Ermächtigung des Arztes und der Ärztin durch die Kassenärztlichen Vereinigungen bedarf. Hier braucht es mutige Entscheidungen der Politik.  Krankenhäuser müssen sehr viel stärker für die ambulante Versorgung geöffnet werden.

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