„Teilweise konnte ich die Treppe nur noch rückwärts runtergehen, weil alles andere zu schmerzhaft war“, erinnert sich Reinhardt Preuß. Als die dauerhafte Schonhaltung und damit einhergehende Überlastung des rechten Beins mit einem Achillessehnenteilabriss endete, war für den ehemaligen Ingenieur erst einmal Schluss mit Sport.
Aber auch die Zwangspause vom Tennisplatz führte beim Knie zu keiner Besserung. Der Besuch beim Orthopäden endete mit der Empfehlung Operation und Teilprothese. „Meine Frau war skeptischer als ich und überredete mich dazu, eine Zweitmeinung einzuholen“, erinnert sich Preuß. Und tatsächlich: Der zweite Arzt riet zu einer konservativen Behandlung mit Physiotherapie und empfahl auch gleich eine versierte Fachkraft.
Nächtliche Schmerzattacken
Durch manuelle Therapie und gezielte Übungen gab es zwar eine gewisse Besserung. Reinhardt Preuß fühlte sich in seinen Bewegungen aber weiter eingeschränkt und hatte vor allem nachts mit Schmerzattacken zu kämpfen. Für ihn ein deutlicher Verlust an Lebensqualität. Deshalb wurde der 65-Jährige sofort hellhörig, als er auf einer Autofahrt von dem Projekt „SmArt-E“ erfuhr: „Ich war im Tübinger Raum unterwegs und im Radio wurde berichtet, dass die Uniklinik Teilnehmende, die bei der TK versichert sind, für ein Arthrose-Training mit digitaler Unterstützung sucht“, erzählt er.
Kaum zuhause, googelt er die Stichworte, die er aufgefangen hatte. Er meldete sich direkt bei Valerie Dieter, Sportwissenschaftlerin und Projektverantwortliche am Uniklinikum Tübingen. So wurde Preuß einer von 83 Probanden, die insgesamt zwölf Monate das Programm „SmArt-E“ („Smartphone-assistiertes Arthrosetraining mit Edukation“) durchlaufen.
Zu seinem Glück wurde Preuß der sogenannten Interventionsgruppe zugeordnet, die aktiv am „SmArt-E“-Programm teilnimmt: „Da wir für wissenschaftliche Studien immer eine Vergleichsgruppe benötigen, die das zu testende Programm nicht durchläuft, bekommt nur die Hälfte der Teilnehmenden das modifizierte Gruppentraining mit Smartphone-Unterstützung“, so Dieter.
Austausch und vertieftes Wissen helfen
Preuß hat vor allem vom gemeinsamen Training mit fünf weiteren Betroffenen und Physiotherapeut Jimmy Welsch in Reutlingen profitiert: „Es tat gut, sich endlich mal mit Menschen austauschen zu können, die wissen, wovon man redet, und den Schmerz nachempfinden können.“ Dank der überschaubaren Gruppe blieb immer genug Zeit, um auch individuelle Fragen zu klären oder Alternativübungen ausprobieren zu können.
Positiv hebt Preuß auch den „E“-Teil des Programms, der für Edukation steht, hervor. „Wenn man weiß, wie und wo der Schmerz entsteht, fällt es leichter einzuschätzen, was man sich zumuten kann“, so seine Erfahrung.
Den Umgang mit Schmerzen zu erlernen, sieht auch Projektleiterin Dieter als wesentliche Stärke des Programms: „Viele Arthrosepatientinnen und -patienten neigen dazu, aus Unsicherheit oder Angst vor einer Verschlimmerung eher auf Bewegung zu verzichten.“ Das sei oft kontraproduktiv, da sowohl die Gelenke als auch die Muskulatur besser zielgerichtet mobilisiert werden sollten. „Für die Teilnehmenden ist es hilfreich, auch nach der Präsenzphase jederzeit per Chat nachfragen zu können, wenn Probleme auftauchen“, berichtet sie. Die Übungen könnten so jederzeit in Art, Dauer und Intensität angepasst oder durch andere ersetzt werden.
Obwohl für ihn Neuland, kam Reinhardt Preuß gut mit der Smartphone-App zurecht: „Die Übungen wurden von einem Avatar vorgeturnt und genau beschrieben. Man selbst musste dann im Anschluss die Schmerzempfindung und das Anstrengungslevel mittels Smiley-Skala kommentieren.“
Training mit der App bietet Sicherheit und motiviert
Drei Mal die Woche macht Preuß derzeit noch bis zu zehn Übungen und fühlt sich gut dabei. Sein Fazit: „Für mich war die Kombination der Schlüssel zum Erfolg: Es war wichtig, die richtige Ausführung der Übungen unter Anleitung zu lernen, um sie dann selbständig mit der App weitermachen zu können.“ Diese sei vor allem auch zur weiteren Motivation hilfreich und hätte sein Durchhaltevermögen wesentlich gesteigert.
Inzwischen geht es dem Rentner sogar so gut, dass er wieder mit dem Tennis spielen angefangen hat. Mit seinem Doppelpartner hat er im Juli beim Nordraum-Cup in seiner Altersklasse den ersten Platz belegt, erzählt er stolz. Auch der anschließende Erlebnisurlaub in Kanada mit Ehefrau, Schwägerin und Schwager – inklusive Wanderungen in den Rocky Mountains – werde unvergesslich bleiben. Aber: „Das geht nur, weil ich nun weiß, wie ich gezielt Muskelaufbau betreibe und wie ich mich vor dem Sport aufwärmen und hinterher dehnen muss“, betont Preuß.