Wie oft kommen Behandlungsfehler vor?
Im Jahr 2023 verzeichneten wir 6509 Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler, und die Tendenz ist steigend. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn viele Betroffene erkennen einen Fehler gar nicht erst. Bei etwa einem Drittel der gemeldeten Behandlungsfehler verdichteten sich die Hinweise darauf, dass tatsächlich ein Fehler vorliegt, sodass eine intensive Prüfung eingeleitet wird. Diese Fälle werden entweder durch den Medizinischen Dienst oder in besonderen Fällen durch externe Gutachter geprüft. Letztlich können nur in wenigen Fällen Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden, die dann in langwierigen und kostenintensiven Verfahren vor Gericht verhandelt werden.
Was raten sie Menschen, die bei sich einen Behandlungsfehler vermuten ?
Grundsätzlich gilt: Seien Sie wachsam und handeln Sie proaktiv, wenn Sie einen Verdacht haben. Wenn Ihnen etwas merkwürdig vorkommt oder Sie beispielsweise im Krankenhaus mit falschem Namen angesprochen werden, fragen Sie nach und notieren Sie sich, was passiert ist. So können sie eine eventuelle Verwechslung vorbeugen und im Fall des Falles Ihre Sicht der Dinge glaubwürdiger belegen. Und wenn Sie einen Behandlungsfehler bei sich vermuten, dann nehmen Sie Kontakt mit Ihrer Kasse auf. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir nämlich nur dann tätig werden, wenn sich Betroffene bei uns melden und einen Verdacht äußern.
Wie kann ein Behandlungsfehler gemeldet werden und welche Hilfe bekommen Patientinnen und Patienten während des Beschwerdeverfahrens?
Betroffene können sich über unsere Beratungshotline „040-46 06 21 40“ oder unseren Wegweiser direkt an uns wenden. Wir informieren sie über ihre Rechte, helfen bei der Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen und unterstützen bei der Erstellung von Gutachten. Diese können von ihnen für ihre Schadensersatzverhandlungen mit der Ärztin oder dem Arzt, dem Krankenhaus, der zuständigen Haftpflichtversicherung oder vor Gericht genutzt werden. Müssen die Geschädigten ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen, können sie sich an einen Prozessfinanzierer wenden. Auch hierbei unterstützen wir.
Was passiert intern, nachdem ein Verdacht auf Behandlungsfehler eingeht?
Wir prüfen die Unterlagen auf Vollständigkeit und erstellen für die Betroffenen ein Gutachten. So stellen wir sicher, dass eine umfassende Beurteilung erfolgen kann. So ein Begutachtungsverfahren dauert in der Regel drei bis sechs Monate. Anschließend überprüfen Fachärztinnen und -ärzte der TK das Gutachten, um die Qualitätsstandards zu sichern. Entweder kommt es dann zu einer außergerichtlichen Einigung oder zu einem Gerichtsverfahren, das sich über Jahre hinziehen kann.
Woran liegt das?
Die Gerichtsverfahren bei Behandlungsfehlern sind oft kompliziert und deshalb langwierig. Die Beweislast liegt meist zu 100 Prozent bei den Klägerinnen und Klägern, was in der Praxis schwer zu erfüllen ist. Eine Reform, die eine überwiegende Beweislast zulässt und schnellere Entschädigungen ermöglicht, könnte meines Erachtens Abhilfe schaffen. Eine schnelle Entscheidungsfindung wird auch durch die Überlastung der Gerichte und den Mangel an Fachwissen in medizinischem Fragen erschwert.
Was sind die größten Herausforderungen im Behandlungsfehlermanagement?
Vor allem die lange Verfahrensdauer und die schwierige Beweisführung. Strenge Datenschutzbestimmungen verhindern zudem oft eine bessere Aufklärung.
Behandlungsfehler verursachen hohe Kosten für das Gesundheitssystem und führen zu ungerechtfertigten Härten für die Betroffenen. Häufig werden sie zum zweiten Mal Opfer, wenn es zu langwierigen und teuren juristischen Auseinandersetzungen kommt. Daher befürworten wir grundsätzlich einen Härtefallfonds, der Betroffene finanziell unterstützt, wissen aber, dass die Finanzierung ein äußerst komplexes Thema ist. Eine Umsetzung in absehbarer Zeit ist daher unwahrscheinlich.
Weitere Informationen
Interessierte finden weitere Informationen in der Beratungsbroschüre der TK.