Was versprechen Sie sich von der gemeinsamen Holding?
Clemens Maurer: Das Klinikum Darmstadt ist zwar ein großes Haus, aber es ist ein Alleinkämpfer. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass kein Krankenhaus, egal wie groß es auch sein mag, künftig allein weiter bestehen kann. Und bevor uns die Krankenhausreform von oben etwas oktroyiert, ist es sinnvoller, vor Ort gemeinschaftlich etwas zu entwickeln.
Dr. Markus Horneber: Der technische und medizinische Fortschritt entwickelt sich rasant weiter. Gleichzeitig erfordert dies unglaublich hohe Investitionen. Um da künftig mithalten zu können, müssen Krankenhäuser größer werden.
Ein kommunales Haus und ein konfessionelles Haus wollen miteinander verschmelzen. Treffen hier nicht zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinander?
Horneber: Es gibt viel mehr, was uns verbindet, als was uns trennt. Zum einen sind wir beide keine gewinnorientierten Unternehmen. Wenn wir Geld verdienen, investieren wir das wieder in unsere Krankenhäuser. Zum anderen ist es in beiden Häusern der Wunsch und die Freude aller Mitarbeitenden, die Patientinnen und Pateinten sehr gut zu versorgen. Sie alle haben ihren jeweiligen Beruf ergriffen, um Menschen zu helfen. Das geschieht vielleicht aus einer anderen Grundmotivation heraus – zumindest beim Gesamtunternehmen Agaplesion, aber nicht unbedingt auf der Mitarbeiterebene. Unsere Beschäftigten sind nicht alle christlich und nur einige sind noch in der Kirche. Aber die Organisation ist ein urchristliches Unternehmen mit einer über 150 Jahre alten Tradition. Das ist natürlich ein Unterschied zu einem kommunalen Krankenhaus. Aber es gibt viel, viel mehr Verbindendes als Trennendes in unseren Kulturen.
Maurer: Ich meine auch, dass die Kultur zwischen „freigemeinnützig“ und „kommunal“ gar nicht so unterschiedlich ist. Die Menschen, die in unseren Unternehmen arbeiten, sind sich relativ ähnlich. Wenn wir aber über Kulturen sprechen, dann müssen wir auch über „Groß“ und „Klein“ sprechen. Diese Erfahrung musste das Klinikum Darmstadt machen, als wir das Marienhospital in Darmstadt gekauft, aufgelöst und in das Klinikum integriert haben. Da war für einige Mitarbeitende des kleinen Marienhospitals schon eine Hürde da, nun in einem fast acht Mal so großen Haus zu arbeiten – und das, obwohl die Stationen für sich betrachtet, nicht unbedingt viel größer waren. Damals haben wir viel gelernt, was die Integration von Mitarbeitenden angeht.
Was haben die Patientinnen und Patienten von der Kooperation?
Horneber: Das Behandlungsspektrum wird insgesamt noch breiter, noch tiefer, noch besser aufeinander abgestimmt, als es heute schon bei uns und auch im Klinikum der Fall ist. Wir können Patientinnen und Patienten künftig über einen längeren Zeitraum intensiver begleiten.
Maurer: Heute beispielsweise müsste ein älterer Patient, nachdem er bei uns in der Unfallchirurgie operativ behandelt worden ist, für die Reha-Phase in ein anderes Krankenhaus verlegt werden, da die Kompetenz in der geriatrischen Weiterbehandlung am Klinikum nicht so vorhanden ist. Künftig wäre das nicht mehr der Fall. In Zukunft würden die Patientinnen und Patienten eine Behandlung „aus einem Guss“ erhalten. Außerdem spielt der Fachkräftemangel eine große Rolle. Dieser wird dramatisch werden. Auch wenn die Politik noch nicht so ehrlich darüber redet. Durch unsere geplante Zusammenarbeit können sich die Patientinnen und Patienten darauf verlassen, dass sie auch in Zukunft rund um die Uhr adäquat behandelt werden. Und sie können sicher sein, dass wir die medizinische Versorgung in Südhessen aufrechterhalten und sogar ausbauen können.
Über unsere Serie "Klinikstrukturen im Wandel"
Unsere Krankenhauslandschaft ist historisch gewachsen und entspricht vielerorts nicht mehr dem Versorgungsbedarf. Wenn wir eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung gewährleisten wollen, sind Veränderungen also dringend notwendig. Unsere Beispiele zeigen, wie solche Veränderungsprozesse gelingen können – und dass Versorgungsqualität nicht an die Erhaltung einzelner Standorte gebunden sein muss.